
Ein Recherche-Newsletter von
RQ ELEMENTS.
Komplexes verständlich erklärt. Wöchentlich ein zentrales Gesellschaftsthema, ohne Drama und Noise. Nur das gefilterte Signal. Am Wochenende ein Impuls für mehr Gelassenheit im digitalen Chaos.
Damit du mitreden kannst,
fokussiert und ruhig bleibst ✊
🤓 Darum geht’s heute
Hi und willkommen zu dieser neuen Ausgabe von standby.
Sechs der neun planetaren Grenzen sind bereits überschritten - doch die Tagesschau behandelt das Artensterben seltener als Fußball-Transfers.
Wir schauen uns gemeinsam an:
Warum täglich 10 Millionen Menschen die wichtigsten Nachrichten unserer Zeit verpassen
Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, wie Medien das Umweltbewusstsein prägen können
Was passieren könnte, wenn eine der wichtigsten Nachrichtensendungen Europas ihre Macht nutzen würde.
📢 Warum das System News nicht funktioniert
Jeden Abend schauen knapp 10 Millionen Menschen die Tagesschau. Davon sind die meisten über 49 Jahre alt - genau die Wählergruppe, die politische Entscheidungen maßgeblich mitprägt.
Doch was bekommen sie zu sehen?
Politik des Tages, Wirtschaftsnachrichten, Sport, Wetter. Selten hören sie, dass wir gerade die größte Krise der Menschheitsgeschichte durchleben. Genau das passiert ja gerade mit unserem Planeten.
Es fühlt sich ein wenig an wie, naja … dein Haus brennt, aber die Nachrichtensendung berichtet hauptsächlich über den Streit der Nachbarn und die Fußballergebnisse.
Das Konzept der planetaren Grenzen - neun kritische Systeme der Erde, die unser Überleben sichern - ist vielen Zuschauern vermutlich im Detail unbekannt. Dabei entscheidet sich gerade jetzt, in den nächsten fünf bis zehn Jahren, ob wir als Zivilisation eine bewohnbare Erde hinterlassen.
Die neun planetaren Grenzen sind:
Klimawandel
Überladung mit neuartigen Substanzen
Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre
Aerosolbelastung der Atmosphäre
Versauerung der Ozeane
Störung der biogeochemischen Kreisläufe
Veränderung in Süßwassersystemen
Veränderung der Landnutzung
Veränderung in der Integrität der Biosphäre.
Zurück zur Tagesschau. Die Sendung folgt einem Nachrichtenkonzept aus dem 20. Jahrhundert: Was heute passiert ist, wird heute berichtet.
Aber die fundamentalen Bedrohungen unserer Zeit - Klimawandel, Artensterben, Umweltzerstörung - sind schleichende Prozesse. Sie haben oft keine Schlagzeilen, nur gelegentlich einen einzelnen dramatischen Moment, in der Regel kein „Breaking News"-Potenzial. Sie brauchen kontinuierliche Aufmerksamkeit, täglich kleine Dosen Information, um im Bewusstsein zu bleiben. Denn wir alle wissen: der persönliche Alltag ist oft eine eigene Bubble, aus der wir nur schwer herauszuholen sind.
Das Problem: Nachrichten sind darauf programmiert, das Neue zu finden. Doch bei planetaren Problemen ist das Neue oft, dass alles immer noch schlechter wird - zwar messbar, aber eben in der Regel nicht sofort spektakulär.
🧐 Noch ein paar Details
Die Wissenschaft ist eindeutig:
Sechs der neun planetaren Grenzen sind bereits überschritten.
Klimawandel, Artensterben, gestörte Stickstoff- und Phosphorkreisläufe, Landnutzungsänderungen, Süßwassermangel und die Belastung durch neuartige Stoffe wie Mikroplastik. Besonders kritisch ist, dass drei der überschrittenen Bereiche (Klimawandel, Biosphäre, biogeochemische Kreisläufe) bereits im Hochrisikobereich liegen.
Nur drei Bereiche gelten noch als sicher: die sich erholende Ozonschicht, Luftverschmutzung und Ozeanversauerung - wobei die letzten beiden gefährlich nahe an ihren Kipppunkten stehen.
Schau dir einfach mal die untenstehende Grafik an … 😳
Was das konkret bedeutet?
Das Erdsystem verhält sich nicht linear. Wenn kritische Schwellen überschritten werden, können sich selbstverstärkende Prozesse in Gang setzen. Permafrost taut auf und setzt Methan frei, was die Erwärmung beschleunigt. Regenwälder sterben und werden von Kohlenstoffspeichern zu Kohlenstoffquellen. Insektenpopulationen brechen zusammen und gefährden die Bestäubung unserer Nahrungspflanzen.
Doch während die Forschung diese Zusammenhänge immer präziser versteht, findet das alles kaum Raum in der täglichen Berichterstattung. Die ARD hat zwar Nachhaltigkeitsrichtlinien und bekennt sich zu ihrer Verantwortung bei Umweltthemen - doch in der praktischen Sendezeit spiegelt sich das, wie ich finde, kaum wider: keine regelmäßige sachliche, objektive, ehrliche und lösungsorientierte Berichterstattung über den Status unseres Planeten.
In dem Kontext noch ein paar Details:
Das Durchschnittsalter der ARD lag Stand 2022 bei 64 Jahren, also genau die Generation, die bei Wahlen den stärksten Einfluss hat und deren Prioritäten die nächsten zehn entscheidenden Jahre prägen werden.
Studien zur Klimakommunikation zeigen: Kontinuierliche, verständliche Berichterstattung über Umweltthemen erhöht das Bewusstsein und kann Einstellungen ändern - aber nur bei regelmäßiger Wiederholung. Einmalige Berichte verpuffen.
Deutschland trägt historisch etwa 4 Prozent zu den gesamten CO₂-Emissionen in der Atmosphäre bei - deutlich mehr als die oft zitierten 2 Prozent der jährlichen Emissionen und ein überproportionaler Anteil für 1 Prozent der Weltbevölkerung. Auch dafür kann man regelmäßig sensibilisieren.
Das Artensterben verläuft derzeit 1000-mal schneller als natürlich - doch in der Tagesschau ist ein Wechsel bei Bayern München öfter Thema als das Verschwinden ganzer Tierpopulationen (übrigens, no front: nichts gegen die Fans von FCB an dieser Stelle!).
☝️ Warum es relevant ist
Die Tagesschau ist nicht irgendeine Sendung.
Knapp 10 Millionen Menschen schauen täglich zu - darunter überproportional viele ältere und konservative Wähler, die für politische Mehrheiten entscheidend sind. Diese Reichweite zu nutzen, um über die planetare Krise aufzuklären, könnte gesellschaftliche Prioritäten verschieben und politischen Druck erzeugen.
Stattdessen zementiert die mediale Vernachlässigung die Illusion, dass alles halbwegs im Normalbetrieb weiterläuft, während die Grundlagen unserer Zivilisation erodieren.
📖 Zum Stöbern
Heinrich-Böll-Stiftung: Die planetaren Grenzen - Verständliche Aufbereitung der neun Grenzen mit Fokus auf politische Handlungsoptionen.
Klima vor Acht Initiative - Bürgerinitiative, die täglich eine Minute Klimaberichterstattung vor der Tagesschau fordert.
Podcast: klima update° - Die wichtigsten Klima-Nachrichten der Woche.
Podcast: Kemferts Klima Podcast - Hervorragende Einordung von Themen zur Klimakrise und der Energiewende. Leider ist der Podcast vom MDR gestrichen worden. Ich hoffe, es findet sich ein neues Format für die 40.000 Hörer.
👨💻 Demokratie Super Prompt
Bevor wir zum Schluss kommen, gebe ich dir wieder unabhängig von dem im Newsletter diskutierten Thema noch was mit zum experimentieren - nämlich einen speziellen Recherche-Prompt zum ausprobieren.
Diesmal kannst du damit prüfen, ob unsere demokratischen Institutionen bei einem Thema deiner Wahl gut funktionieren. Einfach das Thema oben im Prompt einsetzen - etwa Dinge, die die aktuelle Regierung gerade umtreibt (viele neue Gaskraftwerke bauen etc).
Nutze den Prompt einfach in einem KI-Tool deiner Wahl (ChatGPT, Perplexity, Gemini, Claude, etc.).
Viel Spaß damit!
THEMA = <setze hier das Thema ein>
Analysiere, wie gut demokratische Institutionen, Medien und die Öffentlichkeit im Umgang mit [THEMA] funktionieren.
Institutionelle Analyse: Bewerte die Rolle von Parlament, Regierung, Justiz und Verwaltung – wo gelingt demokratische Kontrolle, wo entstehen Defizite oder Machtasymmetrien?
Mediale Dimension: Untersuche die Qualität der Berichterstattung und öffentlichen Debatte. Wo gibt es Aufklärung, wo Desinformation, Verzerrung oder Agenda-Setting durch Interessengruppen?
Bürgerbeteiligung & Diskurskultur: Analysiere, wie inklusiv, transparent und faktenbasiert Diskussions- und Entscheidungsprozesse rund um [THEMA] ablaufen.
Systemische Schwachstellen: Identifiziere strukturelle Gründe für Fehlfunktionen (z. B. Lobbyismus, Polarisierung, ökonomischer Druck auf Medien, digitale Filterblasen).
Vergleichsperspektive: Vergleiche die demokratische Handhabung von [THEMA] mit ähnlichen Fällen in anderen Demokratien oder mit historischen Beispielen. Welche Lehren lassen sich ziehen?
Reformvorschläge: Entwickle konkrete Vorschläge für institutionelle Reformen, mediale Verbesserungen und neue Beteiligungsformen. Priorisiere diese nach Umsetzbarkeit und potenzieller Wirkung.
Zukunftsausblick: Skizziere, welche Folgen es für die demokratische Resilienz hätte, wenn [THEMA] weiterhin unzureichend demokratisch bearbeitet wird – und welche Chancen sich durch Reformen eröffnen.
🤝 Wrap Up
Ich habe mich ziemlich spontan morgens beim Kaffee dazu entschieden, über planetare Grenzen zu schreiben. Und zwar, nachdem ich am Abend davor erneut eine beeindruckende Dokumentation über die Ozeane gesehen hatte. Auch mich ziehen solche Aufnahmen und Informationen zügig aus meiner Bubble.
Denn, während wir täglich über Koalitionszwist und Börsenkurse diskutieren, überschreitet unser Planet systematisch die Grenzen seiner Belastbarkeit. Aber in unserer wichtigsten Nachrichtensendung findet das kaum statt.
Dabei könnte die Tagesschau mit ihrer Reichweite und ihrem Vertrauen bei älteren Wählern einen entscheidenden Unterschied machen. Es braucht dabei übrigens keinen Alarmismus, sondern einfach nur kontinuierliche, sachliche Information über das, was wirklich zählt.
Soweit. Bis zum nächsten Mal.
Und immer schön ruhig bleiben ✊

Wie dieser Text entsteht: Ich bin kein Experte im obigen Thema und will auch nicht schlau wirken. Aber ich bin eben neugierig und will komplexe Sachverhalte besser verstehen. Als Solo-Schreiber ohne Redaktion im Rücken helfen mir dabei moderne KI-Tools: beim Recherchieren, Strukturieren und Schreiben. Trotzdem steckt viel eigene Lebenszeit in jeder Ausgabe: Inhalte prüfen, Texte überarbeiten, Gedanken sortieren. Immer mit dem Ziel: ein verständlicher Überblick - fundiert, ehrlich, ohne Drama. Falls du einen Fehler findest oder Impulse zur Verbesserung hast, melde dich bitte gerne bei mir. Ich freue mich über jede Nachricht!